Strategische Planung: Alle Jahre wieder

Strategische Planung: Alle Jahre wieder

Geschäftsjahre enden oft nicht so glanzvoll wie Kalenderjahre, an deren Ende in der Regel ein Weihnachtsbaum im Lichterglanz steht1. Im geschäftlichen Kalender hingegen findet sich an dieser Stelle die Beendigung der Jahresplanung bzw. Budgetierung für das nächste Geschäftsjahr, gefolgt vom Auftakt zum Jahresabschluß – beides unter unfeierlichem Termindruck.
Nicht nur die Finanzabteilung, sondern alle operativen Unternehmensbereiche — Vertrieb, Produktion, Einkauf, HR etc. — stehen am Jahresende unter erheblichem Druck, denn es gilt noch Kundenvereinbarungen abzuschließen, Warenbestände auf- oder abzubauen, usw.  Danach ist man vielleicht noch nicht in Weihnachtsstimmung, aber sicherlich urlaubsreif.
Parallel kommt die Jahresplanung oder Budgetierung zu ihrem (mehr oder weniger guten) Abschluß und zieht dabei Finanzleute und operative Abteilungen gleichermaßen in Mitleidenschaft. Unter Zeitdruck sind viele Fragen fürs nächste Geschäftsjahr zu beantworten, zum Beispiel:

  • Welcher Umsatz soll erzielt werden, mit welchen Produkten, in welchen Märkten?
  • Wie werden sich Einkaufs- und Verkaufspreise entwickeln?
  • Welche Produktivität von Menschen & Maschinen ist erforderlich, welche Investitionen sind dafür erforderlich?
  • Wieviele und welche Mitarbeiter benötige ich, steht Personalauf- oder -abbau bevor?
  • Welche Projekte sollte ich (endlich und hoffentlich mit Erfolg) abschließen, welche starten?

Viele Unternehmen haben zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Budgetierung, oft bereits im Sommer, nur 6 bis 7 Monate an Ist-Zahlen vorliegen und wissen nicht, ob die Ziele des laufenden Geschäftsjahres erreicht werden. Oder besonders spannend: sie wissen in manchen Fällen bereits, daß die gesetzten Ziele vermutlich nicht erreicht werden – aber genaue Gründe dafür sind zu diesem frühen Zeitpunkt nicht voll transparent, zumindest nicht analysiert.  Denn dafür fehlt die Zeit: die Jahresplanung ist bei vielen Unternehmen derart komplex und aufwendig, daß zur Vorbereitung, fürs Konzipieren und gründliche Verstehen der Ist-Ergebnisse, wenig Zeit übrig bleibt. Budgetiert wird trotzdem!
Somit wiederholt sich in etwa folgender Zyklus alle Geschäftsjahre wieder:

  • Budgetierung bereits ab Sommer,
  • Dann mindestens zwei unterjährige Forecasts oder Hochrechnungen, um Monatsergebnisse hilfsweise in eine Art „geschätzten Jahresabschluß“ zu überführen,
  • Im vierten Quartal Jahresendspurt bei Kunden parallel zum Fertigstellung des Folgejahr-Budgets,
  • Gefolgt vom Jahresabschluß bis hinein ins Frühjahr des Folgejahrs, oder noch länger.

Nicht zu vergessen Geschäftsleitungs-, Beirats-/Aufsichtsratssitzungen, abteilungsbezogene und ganz allgemein sonstige Meetings mit monatlicher oder quartalsmäßiger Frequenz, in vielen Fällen häufiger.  Jetzt noch Shopping-Stress und Weihnachtsurlaub – und schon ist das laufende Jahr wieder vorbei!
 
Was fehlt hier?
Kurz gesagt: in einem solchen hektischen Jahreskalender fehlt die “Leitplanke” einer wirklichen strategischen Planung. Konkret fehlt die “terminliche Heimat“ sowie der inhaltliche Rahmen für die umfassende Aufarbeitung von Geschäftsverlauf und –ergebnissen. Bewertungen der Kundenzufriedenheit, Beobachtungen des Wettbewerber- und Marktumfeldes, technologische Trends und weitere produkt-, kunden- und standortbezogene Auswertungen könnten so bereits im Vorfeld der operativen Jahresplanung erledigt werden, nicht nur in deren Windschatten. Es böte sich sogar die Gelegenheit, Szenarien z. Bsp. mittels Methoden des „Business War Gaming“ durchzuspielen und auch so die Entscheidungsqualität der (später folgenden) Jahresplanung zu verbessern.
Anstatt, wie in den meisten Fällen, erst bei der Budgetierung – und dann unter erheblichem Zeitdruck – Ergebnisanalysen durchzuführen, könnten diese bereits als wichtiger Teil eines „strategischen Untersuchungspakets“ vorher zusammengetragen werden. Viele weitere Fragen, die sich dann bei der Jahresplanung ebenfalls und drängend stellen, wären so bereits beantwortet oder zumindest für ihren potentiellen Einsatz vorbereitet.
Wenn dafür keine Zeit reserviert wird, kann eine strategische Planung nicht gelingen!
 
Was ist zu verbessern?
Ein strategischer Plan sollte einmal jährlich „gemacht“ werden. Dafür ist ein gesamthafter unternehmensweiter Ansatz vonnöten, nicht nur eine „Trockenübung“ der Stabsstelle für strategische Planung oder ein Wochenend-Workshop weniger Manager (gelegentlich angereichert um Anteilseigner). Eine einmalige Feigenblattaktion, selbst wenn diese aufwendig mit Unternehmensberatern durchgeführt wird, reicht schon gar nicht aus – wird aber oft als vermeintlich beste, immer jedoch schlechtere Lösung gewählt.
Nur rund zwei Drittel der (größeren) Unternehmen bestätigen, daß sie überhaupt eine strategische Planung vornehmen, wie die Unternehmensberatung Bain & Company in einer Befragung festgestellt hat2. Bemerkenswert, daß mehr als ein Drittel der Unternehmenswelt ohne eine solche Planung auszukommen glaubt. Das ist ein wenig so, als ob Sie ohne Landkarte oder Navigationssystem zum ersten Mal mit dem Auto in eine Ihnen unbekannte Region fahren und hoffen, ohne Verspätungen am Wunschziel anzukommen. Denn Ihr strategischer Plan sollte, wenn er das Ergebnis guter strategischer Planung ist, eine Art Landkarte sein zur Erreichung Ihrer Unternehmensziele.  (Die Jahresplanung übernimmt dann die Aufgabe der genauen Wegbeschreibung bis zur nächsten Etappe.)
 
Wann?
Tatsächlich liegt bei vielen Unternehmen die Sollbruchstelle nicht im Bewusstsein, daß man strategisch planen sollte, sondern in der konsequenten Umsetzung. Als minderwertige Notlösung wird da, wo das schlechte Gewissen sich dann doch noch meldet, parallel zur Budgetierung hopplahopp eine Art „strategischer Plan light“ mitentwickelt. (In wenigen,  schweren Fällen liegt Absicht vor: hier sind „Strategie“, „strategische Planung“ und „Leiter Strategie“ fast schon Schimpfworte oder Abschiebegleise.)
Zuallererst gilt jedoch: nehmen Sie sich Zeit! Wer einen validen und relevanten, weil aktuellen oder aktualisierten, strategischen Plan erstellen möchte, sollte dies terminlich im Frühjahr tun. Wenn man es dann auch noch schafft, ein Zeitfenster frühzeitig und verbindlich voraus zu planen – am besten im Sommer oder Herbst des vorausgehenden Jahres – und „die Aktion“ wie geplant und gut durchzuführen, steht man nämlich stabil auf zwei Beinen:

  •  in der ersten Jahreshälfte wird die strategische Planung erstellt, wobei hier bereits mit Kennzahlen des Jahresabschlusses gearbeitet kann,
  • dann folgt im zweiten Halbjahr die Budgetierung, die sich am aktualisierten strategischen Plan mit mittel-/langfristigen Zielen und  am aktuellen Geschäftsverlauf orientieren kann.

Diese Verzahnung liefert ein breites Fundament nicht nur für die jährliche Budgetierung, die damit nicht nur zu einer Fortschreibung von Vorjahres- und unterjährigen „Year-to-Date“-Zahlen degeneriert. Sondern so werden strategische Pläne auch relevant für operative Manager, die ihr Handeln nicht nur an kurz-, sondern auch an unternehmerischen, langfristigen Zielen ausrichten möchten. So steigen dann auch die Chancen auf ein „gutes Neues Jahr“, und zwar alle Jahre wieder …
Übrigens: haben Sie für Ihren strategischen Plan (oder dessen Aktualisierung) bereits ein Zeitfenster verbindlich reserviert?
 
All rights reserved, © 2013-2017, Ulrich Lehmann

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1Gemeint sind unsere „westlichen“ Kalenderjahre mit Jahresende regelmäßig am 31. Dezember.
2 Bain & Company, Inc., „Management tools & trends 2011“ (Darrell Rigby et al., Boston, Mass.)
 

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