Wirtschaftskrieg 01: Gedanken zum Thema Intelligence und Nachrichtenwesen in der Wirtschaft
Gäbe es einen Preis für das Buzz Word des Jahres, stünden die Ausdrücke Intelligence, bzw. Business Intelligence oder Competitive Intelligence seit Jahren auf der engeren Auswahlliste. Geliebt von den einen, gehasst von den anderen, werden diese Begriffe entweder im Übermaß enthusiastisch beschworen oder mit eisigem Schweigen bedacht. Wobei anzumerken gilt, dass in beiden Fällen die Betroffenen nicht einmal unter sich über eine gemeinsame Definition verfügen.
Das Problem fängt damit an, dass es für den Ausdruck keine Entsprechung in der deutschen Sprache gibt. Informationsgewinnung, Nutzung neuer Medien, Marketing, Marktanalyse, Wissensmanagement sind bestenfalls Teile davon. Und der militärische Ausdruck, Nachrichtenwesen, klingt für einen Wirtschaftswissenschaftler bestenfalls verstaubt und schlechtestenfalls nach Tagesschau.
Des Weiteren gibt es ein massives Verständnisproblem. Für klassisch aufgestellte Unternehmen handelt es sich bei Intelligence um ein Werkzeug oder um technische Verfahren nicht aber um einen Prozess oder gar um eine Philosophie. Für solch ein Unternehmen stellt die globale Informationsgesellschaft entweder einen Selbstbedienungsladen oder eine Bedrohung dar.
Beide Ansätze sind mehr als problematisch:
Wird das Internet – und dies in der Regel dann auch noch exklusiv – als Hauptinformationsquelle in einem Unternehmen genutzt, besteht die Gefahr nicht überprüfte Informationen als gesicherte Fakten zu behandeln. Treten Sprachprobleme, mangelnde interkulturelle Kompetenz und ein Tunnelblick beim Starten der Suche hinzu, sind die gewonnenen Ergebnisse entweder unverwertbar oder schädlich.
Werden das Internet und die sogenannten neuen Medien als Bedrohung empfunden, so endet das Thema Intelligence in der IT oder in der Sicherheitsabteilung. In diesem Fall schneidet sich das Unternehmen von den Chancen und Möglichkeiten der globalen Informationsgesellschaft ab.
In beiden Fällen reduziert sich der Umgang mit Intelligence auf Einzelaspekte. Im militärischen Umfeld würde man von rein taktischem Denken sprechen.
Dabei ist Intelligence ein zutiefst strategisches Thema mit operativer Aufgabe. Um ihren Sinn – und ihre Grenzen – zu erfassen, hilft es sich von einzelnen Überlegungen zu lösen und die eigentliche Kernfrage zu betrachten: Was kann man den dauerhaften, wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sichern?
Um diese Frage zu beantworten braucht man detaillierte Kenntnisse der eigenen Lage, der eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten, des wirtschaftlichen Umfelds und der politischen Rahmenbedingungen sowie der Lage und der Pläne der Konkurrenz. Hinzu kommt, dass diese Informationen nicht bloß in einer speziellen Abteilung (oder im Vorstand) vorhanden sein dürfen, sondern jedem Nutzer zur Verfügung stehen müssen, der dieser bedarf.
Um dieses Ziel zu erreichen braucht es eines Konzepts das sämtliche Tätigkeit des Unternehmens dynamisch durchdringt.
Vereinfacht gesagt, gilt es eigenes Wissen zusammenzufassen und intern zugänglich zu machen, Austausch zwischen Spezialisten zu fördern, zusätzlichen Informationsbedarf zu ermitteln, einen Plan zur Informationsgewinnung zu erstellen, Informationen aus internen und externen Quellen zu gewinnen und auszuwerten sowie schließlich die erzielten Erkenntnisse aufgearbeitet und verwertbar an die Bedarfsträger zu übermitteln. An dieser Stelle schließt sich der Kreis und beginnt erneut.
Im Rahmen dieses Konzepts haben Intelligence Spezialisten oder spezialisierte Abteilungen eine entscheidende Rolle, da sie zusätzlich zu ihrer originären Aufgabe der Gewinnung und Auswertung von Informationen für den erfolgreichen Ablauf sowie das hausinterne Wissensmanagement insgesamt verantwortlich sind.
Wichtig ist zudem, dass sich das Konzept nahtlos in den Unternehmensablauf einfügt. Eine gute funktionierende Intelligence Abteilung ist weder ein im Geheimen agierendes IT-Zentrum noch ein diktatorisch agierendes (Mit-)Entscheidungsgremium sondern eine gleichberechtigte Fachabteilung, die allen Beteiligten das Leben erleichtert und durch die Bereitstellung praktisch verwertbarer Ergebnisse zum Erfolg aller beiträgt.
In weiten Teilen ist ein solches Vorgehen nicht neu, sondern von jeher Teil der deutschen Unternehmenskultur. Erfolgreiches Wissensmanagement, kulturelle Kompetenz und eine gut entwickelte unternehmensinterne Kommunikation stellen im internationalen Vergleich einen entscheidenden Vorteil deutscher Unternehmen dar. Es gilt daher nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern bestehende Kapazitäten zu modernisieren und an die Rahmenbedingungen der globalen Informationsgesellschaft anzupassen.
Gelingt dies nicht, könnte Selbstzufriedenheit oder Kurzsichtigkeit die deutsche Industrie schnell ins Hintertreffen geraten lassen: Sowohl westliche Länder wie die USA; Großbritannien oder Frankreich als auch die BRIC-Staaten haben stimmige Strategien entwickelt und setzen sie durch die Bereitstellung von Finanzmitteln, Organisation von Schulungen oder massive Unterstützung durch staatliche Einrichtungen um. Das Fehlen ähnlicher Maßnahmen in Deutschland könnte uns in den kommenden Jahren teuer zu stehen kommen.
Den Folgebeitrag finden Sie hier: “Wirtschaftskrieg 02: Intelligence und Initiative”
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