Definition „Reklamationsmanagement“
„Das Reklamationsmanagement umfasst die Planung, Durchführung und Überwachung aller Maßnahmen, die ein Unternehmen bezüglich Kundenreklamationen hinsichtlich Warenlieferungen und sonstigen Leistungen ergreift. Mit Reklamation sind ausschließlich fehlerhafte Waren, Dienstleistungen oder Abläufe gemeint. Ziel ist es, die Kundenzufriedenheit wiederherzustellen und die negativen Auswirkungen der Unzufriedenheit, z. B. Abwanderung des Kunden, Imageschaden etc., zu minimieren. Ebenso kann eine Kundenreklamation als Ausgangspunkt für Verbesserungsmaßnahmen innerhalb des Unternehmens genutzt werden (siehe Kontinuierlicher Verbesserungsprozess). Ein Leitfaden für die Behandlung von Reklamationen in Organisationen definiert die Norm ISO 10002. Die Norm ist in Deutschland als DIN-Norm DIN ISO 10002 veröffentlicht.“ Quelle: Wikipedia
Reklamationen, umgangssprachlich auch „Beschwerden“ genannt, sind Aussagen über enttäuschte
Erwartungen. Zugleich sind sie ein Angebot an den Hersteller, darüber ins Gespräch zu kommen und
eine Lösung zu finden. Der Kunde meint es gut mit dem Lieferanten oder Dienstleister. Und er äußert
die Erwartung auf Korrektur. Das ist ein Angebot an den Verkäufer.
Die Ausgangslage
Das Reklamations- oder auch Beschwerdemanagement fristet in manchen Unternehmen ein unbedeutendes
Dasein, abgeschoben in die „betriebliche Schmuddelecke“, sofern es denn als solches
überhaupt installiert ist.
Markenartikelunternehmen besitzen ein solches Instrument. Die Wirkung von medial ausgeschlachteten
Reklamationen birgt eine erhebliche Gefahr. Um dieser Gefahr vorzubeugen, wird häufig primär
„Reklamationsmanagement“ betrieben. Ob das professionell erfolgt, erfahren die Kunden bei einer Kontaktaufnahme.
Betriebe mit Weitsicht gehen weiter, sie nutzen Reklamationen wörtlich als „Geschenk“ und danken
den Kunden, die sie „kundig“ (Jürgen Fuchs) machen und dabei helfen, die Qualität zu verbessern.
Also insgesamt ein eher zerrissenes Bild, das sich dem Betrachter zeigt. Woher kommen die häufig
negativen Einstellungen gegenüber reklamierenden Kunden? Warum wird das Instrument nicht aktiv
genutzt? Welcher Nutzen kann daraus gezogen werden, wenn der „Kunde zieht“, gar eine „gezogene
Wertschöpfungskette in Gang gesetzt wird, eine direkte Kundenbeziehung“ (Jürgen Fuchs)?
Mit dem steigenden Wohlstand haben sich zugleich auch die Ansprüche in Bezug auf Leistungen erhöht.
Die Norm der Erwartungen tendiert gegen 100 Prozent, in allen Situationen, zu allen Zeiten. Es
wird erwartet, dass auch in der Nacht ein ärztlicher Bereitschaftsdienst zur Verfügung steht, der Hilfe
zu leisten hat. Die Bahn muss pünktlich sein, eine ständig medial inszenierte Erwartung. Wer aber hat
sich jemals bei deren Mitarbeitern für die Pünktlichkeit bedankt?
Ansprüche und Erwartungen werden individuell wahrgenommen. Werden diese nicht erfüllt, wird Einspruch
erhoben. Die Rechtsprechung unterstützt diese Tendenz und liefert zum Teil kuriose Entscheidungen,
z. B. bei Verspätungen im Flugverkehr, für die die Airlines häufig nichts können.
Es entstehen Fronten, in denen sich Lieferant und Kunde gegenüber stehen. Diese Ausgangslage
überschattet einen friedlichen und konstruktiven Dialog, an dessen Ende eine Verbesserung stehen
könnte. Mehr noch, es entwickeln sich Haltungen – ungewollt, jedoch häufig mit verheerenden Folgen.
Der Kunde wird als Gegner angesehen, der „meckert“, „schnorren möchte“ und „überhaupt keine Ahnung
von den Anforderungen im Betrieb“ hat. Wenn dann persönliche Empfindungen hinzukommen,
eine Reklamation als „persönlicher Angriff auf die angebliche Unfehlbarkeit“ empfunden wird, eskalieren
solche Situationen schnell.
Das hat dann fatale Folgen, aber davon merken die Unternehmen zunächst nichts.
Tatsächlich sind reklamierende Kunden jedoch treue Kunden. Sie zeigen an, dass sie das Vertrauen
und die Erwartung in den Hersteller noch nicht aufgegeben haben. Darum melden sie sich und begehren
Gehör. Sie bieten dem Produzenten eine zweite Chance. Und diese Chance sollte der Hersteller
nutzen. Es wäre fatal, in dem reklamierenden Kunden einen Gegner zu sehen. Er ist es schließlich,
der die Löhne, die Gehälter und das Einkommen der Gesellschafter bezahlt. Ohne Kunden geht es
darum nicht. Diese Aussage ist ebenso banal wie folgenschwer.
Produkt- und Servicequalität
Qualität hat zwei Seiten. Produktqualität erfahren wir als das, was wir bekommen. Servicequalität
beschreibt die Art und Weise, wie wir es bekommen. Was nützt uns das beste Produkt, wenn die
Übergabe mit Mängeln behaftet ist? Denken wir an die unverständliche Gebrauchsanweisung, nicht in
deutscher Sprache oder unverständlich, an Staubwolken, die beim Betreten einer Umkleidekabine
aufwirbeln, an die (häufig) viel zu laute Musik im Kaufhaus oder die von eigenen Mitarbeitern zugeparkten
Behindertenparkplätze usw.
Der Einkauf wird unter diesen Bedingungen eher zum Horrortrip. Statt den Einkauf in ein Erlebnis zu
verwandeln, erfahren die potentiellen Kunden unter diesen Bedingungen die tatsächliche Distanz der
Verkäufer und, schlimmer noch, ein Gefühl von fehlender Wertschätzung. Ein „freundliches auf Wiedersehen“
und nix wie raus aus diesem Haus und ab zum Mitbewerber. Reklamieren? Wozu eigentlich?
Nützt doch nichts!
Besonders Lebensmittel und Getränke unterliegen in diesen Zeiten der medialen Aufmerksamkeit
einem besonderen Interesse. Die Kunden sind durch „Skandale“ sensibilisiert und reagieren prompt.
Die Printmedien nehmen diese Ereignisse dankend auf und gestalten immer wieder neue Schlagzeilen.
Unternehmen können dadurch in existentiell bedrohliche Situationen getrieben werden.
Wenn ein Kunde jedoch das Gegenteil erfährt, z. B. beim Einkauf von Kleidung, und sich mit freundlichen
Worten bedankt – die Form der positiven Rückmeldung –, wird man in erstaunte Gesichter
schauen, deren Miene sich schnell aufhellt. Danke sagen für die tolle Leistung, das baut auf und bestätigt,
dass sich die Mitarbeiter „auf Kurs befinden“, mehr noch, dass die Leistungen ehrlich anerkannt
werden. Ein freundliches Lächeln, Wertschätzung auf beiden Seiten: die Grundvoraussetzung
für gezogene Wertschöpfungsketten!
Ein Zwischenruf:
Unternehmen stellen hohe Summen in Marketingbudgets für die Neukundengewinnung ein. Der Titel
„Kundenbindung Bestandskunden“ fehlt stattdessen. Das ist ein fataler Konstruktionsfehler. Nicht die
(möglichen?) Neukunden, die Bestandskunden sichern das Geschäft. Sie zu pflegen, ist die vorrangige
Aufgabe von Marketing und Vertrieb! Mehr noch: Über zufriedene Bestandskundenwerden Neukunden
geworben. Dieser – zugegeben konservative Ansatz – hat immer noch Gültigkeit, eher mehr
denn je. Der Verkäufermarkt ist Geschichte. Die Kunden haben Macht und können sich darin der medialen
Unterstützung sicher sein.
Liebe Marketingewaltigen: Bitte denken Sie an die Bestandskundenpflege. Für ausländische Mitbewerber
ist das eine Selbstverständlichkeit.
Wenn die Bestandskunden der Speicherung von Daten zustimmen, mehr noch, den Herstellern Informationen
geben, kann eine Datenbasis mit unendlich hohem Wert aufgebaut werden. Der Dank an
diese Kunden – ein freundlicher Brief mit Informationen, gar ein Geschenk (im Budget berücksichtigt)
– das wäre eine Form der Werbung, die von den Kunden beachtet wird. Das deutsche Wort hierfür
lautet Direktkundenansprache. Der Kunde macht den Hersteller kundig, der Hersteller sagt „Danke“.
Und so entsteht ein Bindungsgeflecht, mehr noch: ein direktes Netzwerk mit den Kunden. Solche Beziehungen
können nicht via Printmedien oder Werbefilme entwickelt werden. Und um nichts anders
geht es, wenn „gezogene Wertschöpfungsketten“ aufgebaut und gefördert werden sollen.
Die Kundensicht – eine andere Sichtweise
Wer arbeitet, macht Fehler! Eine uralte Erkenntnis. Und wer enttäuscht wird – ja was kann ein Kunde
in dieser Situation unternehmen? Viele Kunden machen nichts! Eigentlich ist diese Aussage nicht
ganz korrekt. Sie wechseln Produkt und Hersteller. Und das ist sehr gefährlich für die Lieferanten. Sie
verlieren einen Kunden ihrer Produkte, ohne dass sie davon zunächst Kenntnis erhalten. Irgendwann
kündet dies die Verkaufsstatistik, und alle Verkäufer fragen sich, warum?
Das Verhalten ist häufig dadurch begründet, dass der Kunde auf den Etiketten eine Vielzahl an Informationen
über den Inhalt oder den Gebrauch erhält, nicht jedoch eine plakativ gestaltete Information,
wo er sich melden kann. Dieses „Melden“ erfolgt heute überwiegend elektronisch oder per Telefon.
Wenn der Kunde mit Telefongebühren belastet wird – besser gesagt: von einem Gespräch „abgehalten“
werden soll –, sinkt die Neigung zur Kontaktaufnahme. Mit der Faust in der Tasche wird er die
nächste Kaufentscheidung überdenken. Hinderlich sind weiterhin negative Formulierungen, in denen
eine Abwehrhaltung zum Ausdruck kommt: „Wenn Sie Grund zur Reklamation haben, dann müssen
Sie …“.
Wie anders könnte es sein, wenn die Produktbeschreibung freundlich und auffordernd gestaltet würde.
„Wir freuen uns über Ihren Anruf, der natürlich für Sie kostenfrei ist. Sagen Sie uns, was Ihnen
gefallen hat, und sagen Sie uns auch, wenn wir uns verbessern können. Reklamationen sind uns eine
Hilfe, unsere Qualität zu verbessern. Unsere Mitarbeiter freuen sich!“
An dieser Stelle wird der Protestschrei von Verkauf und Marketing laut. Soll sich das Unternehmen
Reklamationen etwa ins Haus holen? Und überhaupt, die vielen Anrufe, auch wenn niemand reklamiert?
Mehr noch, auf welche Kostenstelle werden die Telefongebühren gebucht? Und damit beginnt
eine interne Auseinandersetzung um Telefongebühren, nicht um Kundebeziehung und den kontinuierlichen
Verbesserungsprozess. Davon hat der Kunde nichts, ebenso wenig das Betriebsergebnis.
Der Kunde macht den Hersteller kundig. Warum darauf verzichten? Wenn die Kunden ihre Treue zum
Hersteller zum Ausdruck bringen und sich melden, wäre es doch von wirtschaftlichem Vorteil, diese
Informationen systematisch zu sammeln. Und wenn es eine Reklamation ist, dann bietet das die
Chance, im versöhnlichen Miteinander eine Lösung anzustreben. Und dazu werden keine Agenturen
benötigt. Es bietet sich die Chance, für die Kunden eine Tür zu öffnen und diese zu bitten, doch hineinzukommen
und in gegenseitige Kommunikation zu treten.
Vom Reklamations- zum Beziehungsmanagement – Beziehungsmanagement – der Kunde „zieht“ (frei nach Jürgen Fuchs) Teil II
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