Riskanter Präzedenzfall: Fremde Herren in Zypern

Riskanter Präzedenzfall: Fremde Herren in Zypern

Die zypriotische Geschichte fremder Herren setzt sich fort. Die uns aus den täglichen Nachrichten bekannte, geteilte Insel im östlichen Mittelmeer hat sie seit der Antike kommen und gehen sehen: unter anderem alexandrinisch-mazedonische, hellenistisch-ptolemäische, römische, oströmisch-byzantinische, kreuzritterliche, venezianische, osmanische und britische Herren. Eigentlich seit 1960 unabhängig, ab sofort in der Hand neuer Herren: der EU, ihrer Institutionen und Bürokraten.
Die finanzielle Unterstützung dieses Mitgliedsstaates ist akut vor allem deshalb erforderlich, weil das Land zuviele Staatsanleihen vom Nachbarn Griechenland hält, die an Wert verloren haben. Mit der Beteiligung der “kleinen Leute” wird allerdings ein sehr riskantes Spiel betrieben — ein potentiell ansteckender Präzedenzfall wird etabliert. Als Vertrauensbruch und Zwangsenteignung wird dieses Vorgehen richtig benannt.

Die zypriotische Bankenrettung der besonderen Art hat also quasi als “Nacht & Nebel”-Aktion begonnen. Einfache Bürger, Rentner, Kleingewerbetreibende, Hotelmitarbeiter, Bauern — sie alle sollen mit einer Zwangsabgabe in Höhe von 6,75% ihrer Spareinlagen ihr Land mitretten. Gefragt wurden sie nicht. Stellen Sie sich vor, welchen Aufschrei es in Deutschland gegeben hätte, wenn unsere Bankenstützung von den “kleinen Leuten” hätte mitgetragen werden müssen. Innerhalb von 24 Stunden wäre beim Bundesverfassungsgericht ein Eilantrag gestellt worden, ein solches Vorgehen für ungesetzlich und nichtig zu erklären. Sicherlich werden zypriotische Bürger am Montag bei ihrem Verfassungsgericht eine ähnliche Gegenwehr anstrengen, und wer könnte es ihnen verdenken? Es ist nicht unwahrscheinlich, daß beim Einfrieren der Konten über das feiertagsbedingt lange Wochenende vom 16./17./18. März grundlegende Eigentumsrechte der Bürger Zypriens verletzt wurden — ganz sicher entspricht dieses Vorgehen nicht meinem Standard von Fairness und “Due Process”.
Am kommenden Dienstag wird aber im Südteil dieser Insel möglicherweise noch etwas viel Schwerwiegenderes passieren: ein “Bank Run”. Mindestens bis bekannt ist, und auch geglaubt wird, daß “nur” eine einmalige Einziehung von Kontoeinlagen ansteht, könnten viele Zyprioten versuchen zu retten, was zu retten ist — also Geldautomaten und Bankschalter belagern.
Vorausschauende Großanleger haben bereits in den vergangenen Wochen rund EURO 2 Milliarden aus dem Lande gebracht, darunter angeblich auch russische Kontoinhaber. (Den Langsameren unter ihnen droht eine mindestens 9,9%-ige Zwangsabgabe.) Bei einem Bruttoinlandsprodukt von weniger als EURO 25 Milliarden und berichteten europäischen Stützungszahlungen im Rahmen der “Bankenrettung” von geplanten EURO 10 Milliarden also bedenklich große Geldabflüsse. Das gesamte zypriotische Wirtschaftssystem könnte durch einen Bankensturm und weitere große EURO-Transfers ernsthaft bedroht werden.
Lassen Sie uns diesen unerfreulichen Gedanken nun im größeren Rahmen weiterführen, um ihn in voller Konsequenz zu Ende zu bringen. Bei jedem möglicherweise noch anstehenden Akt weiterer Maßnahmen zur Bankenrettung irgendwo in Europa, sei es in Griechenland, Portugal oder Italien, um nur einige zu nennen, werden viele Bankkunden — Klein- und Großanleger — ab jetzt befürchten, daß ihre Konten gesperrt und ihre Guthaben teilweise eingezogen werden könnten. Sie werden die Fernsehbilder von weinenden, protestierenden oder sogar randalierenden Zyprioten vor Augen haben, die in den nächsten Tagen in Nachrichtensendungen überall in der Welt zu sehen sein werden — und versuchen, noch schnell ihre Konten möglichst zu räumen.
Ganz ehrlich: was würden Sie tun, wenn Sie annähmen, daß sehr bald der Zugang zu Ihren bei deutschen Banken oder Sparkassen liegenden Geldern eingeschränkt wird? Vermutlich das gleiche. Und das wäre dann leider der wirkliche Preis dieser “herrlichen”, hochriskanten Staatsrettung einer Insel im östlichen Mittelmeer.
Nachtrag am 25. März: Zwangsabgabe “lediglich” für Guthaben ab EURO 100.000, nun aber in Höhe von über 30% (d-r-e-i-s-s-i-g Prozent !!!). Trau, schau, wem?

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