In gewisser Weise konnte ich sie verstehen. Wenn man sich intensiv für ein Thema engagiert, dann bekommt man den Tunnelblick und nimmt nur noch selektiv wahr. Und so frug ich eine Bekannte, wie sie denn das Thema „Führung“ in der Personaler-Literatur wahrnimmt. „Natürlich ist das immer in wichtiges Thema. Man liest aber schon fast zu viel darüber.“
In der Tat: es ist schon eine ganz Menge und die inhaltliche Qualität der Artikel ist Gaus-Normalverteilt. Bei manchen Beiträgen fragt man sich unwillkürlich, für wen denn das eigentlich geschrieben ist. Und so fiel mir die Firmenbroschüre eines Kunden ein, dessen Erfolgsrezept gut für ein Kreuzworträtsel für Führungskräfte taugt: „Formel für unternehmerischen Erfolg mit drei Buchstaben“.
Wie lautet die Lösung?
Die einschlägigen Zeitschriften sind voll von Beiträgen über charismatische Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter inspirieren. Die nicht nur bloß Chef sind. Nein, das reicht heute nicht mehr. Globalisierung, Komplexität, Generation Y: Kenner wissen schon.
Was wir brauchen sind echte Leader, die wahrhaftig führen: „We-care-Leadership“. So der Untertitel eines Artikels, den ich dieser Tage las.
Jetzt war ich natürlich neugierig. Das Motto schien mir: Vergesst den ganzen Quatsch, den Ihr über Führung in den letzten 100 Jahren gelesen habt und schnallt Euch an: jetzt kommt das „Yes, we care“.
Und je mehr ich las, desto aufgeregter wurde ich, bekam ganz feuchte Hände: Beeindruckende Leader führen mit der Haltung „We Care“ stand da. Gute Führung zeige sich vor allem in der Art, wie eine Führungskraft auf andere Menschen zugeht. We-Care-Leader überlegen an jedem Tag, was sie tun können, um die Lebensenergie ihrer Mitarbeiter zu steigern – und handeln danach. Was das im Einzelnen sein könnte, blieb leider ein wenig diffus.
Aber egal, ich war wie paralysiert und las weiter. Und dann ging es erst richtig los mit den fünf Leadership-Prinzipien:
- Leadership-Prinzip „Rückgrat“
Leader brauchen Rückgrat, vor allem We-care-Leader. Zum Selbstverständnis eines solchen gehöre es, unangenehme Aufgaben beherzt selber zu übernehmen, zum Beispiel jemandem eine schlechte Nachricht überbringen.
Aha, dachte ich so bei mir. Klingt jetzt nicht ganz so spektakulär. Nun gut, es folgen ja noch vier weitere Prinzipien.
- Leadership-Prinzip „Verantwortung“
„Dass Führungskräfte Verantwortung übernehmen, versteht sich von selbst. Nur was bedeutet das konkret?“
Leider blieb der Autor in diesem Abschnitt sowohl die Antwort auf die Frage schuldig wie er eine zweite Frage erst gar nicht stellte: für was ist die Führungskraft eigentlich verantwortlich?
Vielleicht war der Autor in Eile und hat diese Frage vergessen, oder ihm scheint sie nicht wichtig. Ich fange an zu grübeln, welche der beiden alternativen Erklärungsansätze eigentlich schlimmer wäre.
- Leadership-Prinzip „Humor“
Der Abschnitt über die Wichtigkeit von Lachen und Humor im Allgemeinen und im Leadership im Besonderen, schließt dann wie folgt: „… zwei ganz besondere Leader, die in hohem Maße Autorität, Würde und Courage besitzen und dabei dennoch oft heiter lächeln: der Dalai Lama und Papst Franziskus.“
Hier habe ich dann aufgehört zu lesen und nenne ihnen die verbleibenden Prinzipien nur der Vollständigkeit halber:
- Leadership-Prinzip „Wahrhaftigkeit“,
- Leadership-Prinzip „Liebe“.
Seit diesem Zeitpunkt zermartere ich mir mein Hirn, wie ich der Meisterebene meines mittelständischen Kunden das beibiegen soll:
- heiter wie der Papst,
- gelassen wie der Dalai Lama,
- charismatisch wie Barack Obama
- und inspirierend wie Mahatma Gandhi.
Die Schlosser in den Abteilungen werden ihr Glück kaum fassen können. Aber bitteschön, geht es nicht eine Nummer kleiner?
Natürlich soll ein guter Vorgesetzter Empathie für seine Mitarbeiter aufbringen. Doch auch das muss seine Grenzen haben. Der Tübinger Professor Bernhard Pörksen rät sogar, gegebenenfalls mit ihr bewusst zu brechen: „Führung braucht kein Befindlichkeitsgelaber“, so die Überschrift eines Interviews mit Pörksen in der FAZ online vom 10.11.2014 (http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/wissenschaftler-poerksen-fuehrung-braucht-kein-befindlichkeitsgelaber-13251897.html).
Seine Devise – und der kann ich mich sehr gut anschließen – wäre: Probleme, die da sind, müssen zeitnah auf den Tisch. „Kurzum – das Feedbackgespräch braucht die prinzipielle Wertschätzung, die konkrete Kritik und eine handfeste, umsetzbare Lösungsperspektive, die im Idealfall kooperativ erarbeitet wird.“
Ach ja, ich bin ihnen noch die Auflösung des Rätsels schuldig: „Formel für unternehmerischen Erfolg mit drei Buchstaben“: TUN!
So gesehen und inspiriert von der Firmenbroschüre der Zahnen GmbH aus Arzfeld in der Westeifel: „Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN“. Ich habe die Freude, die Zahnen GmbH zu meinen Kunden zählen zu dürfen. Seien sie versichert: die Mitarbeiter leben diesen Slogan.
Zusammenfassung
Das große Ziel der Führungskräfteentwicklung ist nicht Wissen, sondern produktiveres Handeln.
Der klassische Trainingsansatz für Führungskräfte, der sich fast notwendigerweise auf die Vermittlung von theoretischem Wissen beschränken muss, hat ausgedient. Transferstarke Umsetzungsbegleitung, orientiert an den aktuellen und konkreten Bedürfnissen des Unternehmens wird das Führungskräftetraining ablösen. Dies gilt angesichts knapper Ressourcen – finanziell und zunehmend auch personell – in immer stärkerem Maße.
Viel Freude und Erfolg bei der Etablierung einer leistungs- und mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur
Ihr
Michael Kohlhaas
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