Outsourcing: Selbstbetrug oder ein Zwischenschritt?

Outsourcing: Selbstbetrug oder ein Zwischenschritt?

Begriffliche Klärung

„ Auslagerung von bisher in einem Unternehmen selbst erbrachten Leistungen an externe Auftragnehmer oder Dienstleister. “

https://www.duden.de/rechtschreibung/Outsourcing Nüchtern, sachlich, klar – eine erste Näherung.

„Outsourcing …  stellt die Abgabe von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen dar. Zudem ist Outsourcing  eine spezielle Form des Fremdbezugs von bisher intern erbrachter Leistung, wobei Verträge die Dauer und den Gegenstand der Leistung fixieren. Das grenzt Outsourcing von sonstigen Partnerschaften ab.” 

https://www.juraforum.de/lexikon/outsourcing Rechtswissenschaftlich beschreibend.

Das Internet bietet viele weitere Deutungen an, deren wissenschaftlicher eher Wert gering erscheint. Wir können sie getrost vernachlässigen. Wer den englischen Begriff „Outsourcing” übersetzt, liest „Fremdbezug”, „Ausgliederung”, „Auslagerung”, „Fremdbeschaffung”, „Fremdvergabe” und vieles mehr. Nicht hilfreich. Der pauschale Gebrauch des englischen Wortes führt zur bekannten Sprachverwirrung.
Ich biete Ihnen eine begriffliche Bestimmung an: Outsourcing sind Leistungen, die unter sonst gleichen Bedingungen (als würde man sie selbst gemäß Prozessanweisung erbringen) an externe Dienstleister übertragen werden.

Stichworte: Vertragsrecht BGB, Anspruchsgrundlagen und Einreden BGB, vergl. auch 631 ff. BGB. Siehe auch:

JuraIndividuell : BGB-ANSPRUCHSGRUNDLAGEN IM ZIVILRECHT

Fremddienstleistungen, Outsourcing und eine Klarstellung

Fremddienstleistungen gab es schon immer. Nichts Neues also! Das arbeitsteilige Wirtschaften ist längst ein Standard. Der ungeprüfte und inflationäre Gebrauch des englischen Begriffs hat in der Praxis eine Entwicklung eingeleitet, die Anlass zu Besorgnis gibt. Outsourcing wird häufig als Instrument für strategie- und planlose Kostensenkungsmaßnahmen missbraucht, in denen sich allenfalls die Planlosigkeit des Managements widerspiegelt. Zunächst lassen sich die Vorteile auf dem Papier darstellen. Die Praxis bleibt den Verantwortlichen meist verborgen. Darin liegt eine große Gefahr.
Das outgesourcte Kundentelefon ist ein solches Beispiel. Im Ergebnis spüren die Kunden häufig nur die Wertlosigkeit, die ihnen ein Hersteller zumisst. Sie wenden sich ab, „Weg damit!“. Auch das stellt sich irgendwann auf dem Papier dar, mit einem Minus als Vorzeichen.
Die Sicherheitsabteilungen stehen ganz oben auf den Streichlisten in Kostenwertanalysen, weil andere es auch so machen, zum Mindestlohn. Für das Öffnen und Schließen der Schranken an der Pforte ist der Mindestlohn gerade hoch genug. Das behaupten Manager, denen der Begriff „Sicherheit“ (ein deutsches Wort) unverständlich ist, die nie eine Leitstelle von innen gesehen haben. Die Problematik wird von seriösen und leistungsstarken Sicherheitsdienstleistern allbeständig angeprangert.
Über Outsourcing entscheiden Manager, welche die Macht dazu zweifelsohne besitzen, denen jedoch das fachliche Verständnis mitunter vollkommen fehlt. Das mag erklären, warum in vielen Fällen eine Gefährdungsanalyse nicht durchgeführt wird. Das kann zu existentiell bedrohlichen Situationen führen. So weit reicht der Horizont jedoch nicht.

Was ist  „Outsourcing” tatsächlich?

Was unterscheidet im sprachlichen Verständnis „Outsourcing” von „Fremddienstleistungen“? Outsourcing hat den Charme, dass damit  dominant die schon angesprochenen Kostensenkungen assoziiert werden, zugleich aber auch Aufgaben und Tätigkeiten mit angeblich geringer Bedeutung. Wenn der  der Golffreund zwischen „Loch 4 und 5“ unvermittelt die Frage stellt, ob man „dies und das“ noch selbst durchführe, und süffisant hinzufügt „habe ich schon längst outgesourct“, reift eine fatale  Entscheidung. Fortan wird im Unternehmen „outgesourct“, was als unbedeutend, gar überflüssig angesehen wird und nur Kosten verursacht.
„Dreht euch nicht um, der Outsourcer geht um!“ Diese provokative Aussage macht unter den Mit-Arbeitern die Runde und richtet großen Schaden an. Davon merken die Scheuklappen tragenden Manger nichts. Sie starren auf die Kostenstatistiken und ahnen meistens nicht, was im Unternehmen los ist.

Die Mär von den Primär- und Sekundärprozessen

Denken wir an eine mechanische Uhr. Wir sehen das Wunderwerk der Technik, sich bewegende Rädchen und staunen anerkennend. Die Frage nach der Bedeutung der Räder stellt sich nicht. Auf keinen Fall käme es uns in den Sinn, ein Rädchen (aus Stahl) – einfach so – gegen ein baugleiches, jedoch aus Blech, zu ersetzen. Never change a running System!
Das Beispiel der mechanischen Uhr lässt sich auf jedes Unternehmen übertragen. Die „Rädchen“, folgen den Prozessanweisungen und kommunizieren fachlich und sozial mit den Kollegen, obwohl das nirgendwo angewiesen ist und in keiner Stellenbeschreibung steht. Sie sorgen dafür, dass der Laden läuft, besonders dann, wenn es einmal hakt. Dann packen sie an und räumen Steine aus dem Weg. Sie machen Dinge möglich, die man ihnen nicht zutraut (und darum auch nicht im Alltag erkennt und bewertet), die aus diesen Gründen in keiner Prozessanweisung stehen. Das bleibt vielen Managern verborgen, welche laut Bestellungsvertrag über die Ausgliederung entscheiden dürfen, mitunter ohne die tatsächliche Tragweite bewerten zu können.
Die traditionelle Unterscheidung in Primär- und Sekundärprozessen widerspricht allen Erkenntnissen, die mit dem Bild einer mechanischen Uhr assoziiert werden. Trotzdem wird in „bedeutende“ und „eher unbedeutende“ Aufgaben und Tätigkeiten unterschieden. Das Unternehmen, als einen einzigen Prozess verstehen – wie eine mechanische Uhr – ist eher noch ein ungewöhnlicher Gedanke. Rädchen austauschen, einfach so, gegen welche aus Blech, gar außerhalb des Gehäuses neu platziert, ein abstruser Gedanke, der auch auf Unternehmen übertragen werden kann. Das zu erkennen hat sich mittlerweile zu einer Kunst entwickelt.  

Irrtümer

Die Rädchen einer Uhr müssen bestimmte Spezifikationen erfüllen, sonst geht die Uhr schnell nach. Übertragen wir diese Anforderung auf ein Unternehmen. In der Praxis werden die „zu hohen Kosten“ als Begründung für Outsourcing genannt. Dazu werden bestimmte Rädchen  betrachtet, die man gegen fremde austauschen möchte, die es angeblich „kostengünstiger“ können. Outsourcing, ein Kostensenkungsprogramm. Dem Unternehmen fehlt es offenbar an Vermögen, die tatsächlichen Ursachen zu erkennen. Aus diesem Grunde werden bevorzugt externe Berater („Pinguine“) beschäftigt, welche als „Streicher“ tätig werden. Die tatsächlichen Ursachen für unwirtschaftliche Prozesse werden meist nicht aufgedeckt.
Eine ganzheitlich angelegte Kostenwertanalyse unter Einbeziehung der Betroffenen führt in aller Regel zu den Erkenntnissen, die ursächlich aufdecken, wo es tatsächlich hakt und was zu tun ist. Damit würde eine Geschäftsprozessoptimierung angestoßen, in der sich die Kostenfrage automatisch beantworten ließe.
Der Gedanke, dass ein externer Dienstleister Leistungen signifikant unter sonst gleichen Bedingungen erbringen kann, ist ein frommer Wunsch, nicht mehr. Papier ist geduldig. Die schnelle Lösung – das ist der eigentliche Irrtum.

Selbsterkenntnis – eine Chance

Unternehmen, die unter sonst gleichen Bedingungen „einen Tick besser wirtschaften“ als ihre Mitbewerber, betreiben eine ständige  Geschäftsprozessoptimierung. Diese wirkt zunächst nach innen. „Zu hohe Kosten“ – so meine Erfahrung – sind häufig die Folge einer miserablen menschlichen und fachlichen Führung durch die Vor-Gesetzten. Ist die Zusammenarbeit im Team / Unternehmen schlecht, so spricht das für eine schlechte Werte- und Unternehmenskultur. Daran wäre zu arbeiten. Outsourcing wirkt unter diesen Bedingungen wie ein Bumerang, der schnellzurückkehrt und dem Werfer „um die Ohren fliegt”. Darunter leiden auch die Fremddienstleister, die von anderen Bedingungen ausgegangen sind. Das spüren sie alsbald.
Ich empfehle eine „vorbehaltlose Gewissenserforschung“. Im Zeitalter von Industrie 4.0 gilt es, Schritt zu halten. Denkbar, dass ein auszutauschendes Rädchen bestens funktionieren könnte, wenn man es denn ließe! Ein voreiliger Austausch führt zu nichts.
In Unternehmen mit einer fest verankerten Wertekultur agieren die Beschäftigten unternehmerisch und tragen auch ohne Anweisung zum Erfolg des Unternehmens bei, weil es „ihr Unternehmen” ist. Sie agieren auf ihren Plätzen, selbstlernend und verantworten gemeinsam mit dem Management den Erfolg. Für diesen Einsatz sollten sie zukünftig entlohnet werden, nicht für Anwesenheit. Dann würde der Faktor Human Kapital viel umfangreicher nutzbar gemacht.
Investieren Sie in die Vermögensentwicklung der Menschen. Gehen sie zudem stil- und taktvoll mit den Beschäftigten um! Die Frage nach bedeutenden und unbedeutenden Tätigkeiten hat sich damit erübrigt, der Austausch von „Rädchen“ auch. Überflüssig!

Outsourcing, Voraussetzungen und Grenzen

Nicht Outsourcing an sich, sondern der falsche Umgang mit diesem Instrument führt in die Irre. Outsourcing als Reparaturset für ineffektive Prozesse, Abläufe und miserable Führung führt nicht zum Erfolg. Was man selbst nicht zu leisten vermag, kann ein externer Dienstleister nicht richten. Der Hinweis auf „Experte“ beruhigt allenfalls das Gewissen der verantwortlichen Manager, die sich gedanklich längst mit dem nächsten Projekt beschfätigen.
Unternehmen, die sich dem Prozess der Gewissenserforschung und Selbsterkenntnis stellen, müssen an der Strategie arbeiten. Getrieben vom Erfolg (oder Misserfolg), vernachlässigen Unternehmen diese häufig, reagieren mehr als das sie agieren. Strategisch zu agieren, Missstände und Bedarfe erkennen, frühzeitig einen Prozess der ständigen Geschäftsprozessoptimierung betreiben, dadurch Synergien und Freiräume schaffen, das verspricht Erfolg. Das erfordert das schon beschriebene neue Führungsverständnis. Industrie 4.0 erfordert viel mehr als nur die Digitalisierung!
Wenn der Erfolg übermächtig wird, kann es auch in strategisch vorbildlich aufgestellten Unternehmen „eng“ werden. Dann kann auf Outcourcing zurückgegriffen werden, zumindest temporär. Warum nicht? Auch dieser Einsatz ist strategisch zu planen und vorzubereiten. „Mal eben schnell“ ist nicht!
Grundsätzlich gilt, dass die Rechtsverpflichtungen des Unternehmers auch für fremde Personen gelten. Fremde Personen im Unternehmen haben alle sie betreffenden internen Regeln und Anweisungen zu beachten, darum müssen diese ihnen verbindlich angetragen werden. Der Auftragnehmer haftet gemäß Vertrag für die Einlösung. Mit Ausnahmen und Ausreden ist der Weg zur Hölle gepflastert.
Gelten Zugangsregeln, sind diese ebenfalls anzuwenden. Aus Kostengründen wird mitunter auf die Vertraulichkeitsprüfung von fremden Personen verzichtet. Das ist ein schizophrener und sehr gefährlicher Zustand. Das gilt zugleich für Einweisungen und Unterweisungen, die durchzuführen und zu dokumentieren sind.
Kurzum, ob nun eigene oder fremde Personen – es gibt keinen Unterschied, ausgenommen in der Lohnabrechnung. Aber auch diesbezüglich gibt es rechtliche Fallstricke.
Denken wir abschließend noch über Qualifikationen nach. Auch fremde Personen die geforderten Qualifikationen nachweisen. Benötigt ein Vertriebsmitarbeiter verhandlungssichere Sprachkenntnisse, kann das zum K. O. Kriterium für Outsourcing werden. Die guten Leute sind meist längst vergeben! Wer die geforderten Qualifikationen herabschraubt und die Stellen symbolisch besetzt, betreibt Selbstbetrug.

Ein Fazit

Outsourcing ist ein strategisches Instrument. Fehlt es an der Strategie, bleibt der Erfolg aus. Der Artikel weist auf einzelne Bedingungen hin, deren Schwerpunkte in den Unternehmen variieren. Die Kritik gilt nicht dem Instrument, sondern dem missbräuchlichen Einsatz.
Der inflationäre Ruf nach „Outsourcing“ ist eine gefährliche, dekadente Modeerscheinung. Er weist auf die nachlassende Kreativität und Innovationskraft vieler Unternehmen hin. Sehr gefährlich in globalen Zeiten. Outsourcing ist niemals Selbstzweck. Nur die strategische Verwendung führt zum Erfolg, und zwar für Auftragnehmer und Auftraggeber.
Outsourcing ist zur dauerhaften Kostensenkung ungeeignet. Zudem verkümmert die Fähigkeit zur ständigen Geschäftsprozessoptimierung. Das an die Mitarbeiter gesendete Signal erscheint fatal. Letztlich bestimmt eine umfassende Gefährdungsanalyse – Sie haben richtig gelesen – ob  die Fremdvergabe von Dienstleistungen vertretbar ist. Davon ist auch der  Daten- und Informationsschutz betroffen.
Ich sehe Outsourcing als Zwischenschrift auf dem Weg in eng abgestimmte und vertraglich vereinbarte langfristige Kooperationen, in denen die Partner kreativ, vertraulich und eng miteinander zum gegenseitigen Nutzen tätig werden. Positive Beispiele gibt es deren genug.

Gerolstein, im Januar 2018

© Heinz Lorse

 

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